Halbinsel Vatsnes

Wenn ich an die Halbinsel Vatnsnes im Nordwesten Islands denke, fallen mir spontan folgende Begriffe ein: wunderschöner Küstenpfad, fantastische Ausblicke auf die Westfjorde, Robben, Einsamkeit. Wer ein Stück authentisches Island abseits der Hauptpfade sucht, ist hier genau richtig. Die Halbinsel Vatsnes erstreckt sich wie eine kleine Zunge in die Bucht Húnaflói, die Nordisland von den Westfjorden trennt. Die Straße 711 führt ungefähr 80 Kilometer als Schotterpiste einmal um die Halbinsel herum. Klingt nach einer schnellen Umrundung, aber aufgrund der vielen Ausblicke, Stopps und Fotomotive kann man locker einen halben Tag für die Fahrt veranschlagen. 

Der kleine Ort Hvammstangi bietet sich als Startpunkt für die Umrundung der Halbinsel an. Hvammstangi liegt wunderschön an dem kleinen Fjord Miðfjörður, direkt zwischen dem Wasser auf der einen und den Bergen auf der anderen Seite. Neben einem im ganzen Land bekannten Robbenzentrum (Hvammstangi gilt als Hauptstadt der Robben in Island) gibt es hier ein paar kleine Pensionen und Hotels, Geschäfte, Cafés und ein Schwimmbad, aber auch einen toll gelegenen Campingplatz, den ich sehr empfehlen kann. Er liegt in Nähe der Kirche am Ortsrand, direkt am Berghang. Von hier hat man einen tollen Rundumblick über den Ort und den Fjord. Wanderpfade führen durch ein Gebiet mit kleinen Bäumen und einem Fluß. Auch Polarfüchse treiben sich in der Gegend herum, und wenn man Glück hat, kann man den charakteristischen Ruf eines dieser scheuen Tiere hören oder sie sogar sehen.

Von Hvammstangi aus führt die Straße 711 nach Norden, immer am Wasser entlang, mit ganz wunderbaren Ausblicken über die Bucht und bei guter Sicht auf die Gipfel der östliche Seite der Westfjorde. Malerisch schlängelt sie sich zwischen Wiesen und Feldern entlang, immer flankiert von der schroffen Bergkette, die den Mittelteil der Halbinsel durchzieht.  Viele kleine Wanderwege führen an die Küste, die mit ihren unzähligen, im Wasser liegenden Felseninseln sehr abwechslungsreich ist. Dieser Teil der Halbinsel ist fast menschenleer, nur einige kleinere Farmen säumen den Weg. Tierische Begegnungen hat man hier dagegen oft: neben Schafen und Pferden sind dies vor allem die zahlreichen Küsten- und Wasservögel (Achtung, oft auch direkt an der Straße, einige Schilder weisen darauf hin), und immer wieder sieht man auf den vorgelagerten Felsen in Ufernähe Kolonien von Seehunden in der Sonne dösen. 

Nach der Wegbiegung am Punkt Nestá ganz im Norden führt die Straße 711 im Ostteil von Vatsnes südwärts, nun begleitet von der Aussicht auf die Bergkette der Halbinsel Skagi. Hier ist es nicht mehr ganz so menschenleer wie zuvor auf der Westseite, denn es gibt vor allem einen Punkt, der die Menschen anzieht: der Basaltfelsen Hvítserkur. Er ist mit 15 Metern sicherlich nicht der höchste seiner Art, aber sehr charakteristisch in seiner Form. Mich erinnert er immer an einen trinkenden Dinosaurier. Der Sage nach handelt es sich bei Hvítserkur um einen Troll, der bei seinem Versuch, das Kloster von Ϸingeyrar mit Steinen zu bewerfen, von der Sonne überrascht wurde uns so zu Stein erstarrte. Die weiße Farbe des Felsens stammt vom Dung der zahlreichen Dreizehenmöwen, Eissturmvögel und Kormorane, die ihn bewohnen, er trägt daher auch manchmal den Namen „Weißkittel“. Südlich von Hvítserkur biegt ein Wanderweg zu einem schönen Robbenbeobachtungsplatz ab. Da es sich die Tiere oft auf einer Sandbank gemütlich machen, kann man sie in Ruhe beobachten und dabei die schöne Umgebung genießen.

Auf der Weiterfahrt Richtung Süden gabelt sich die Straße am See Vesturhopsvatn: die Straße 711 führt weiter geradeaus, die Straße 717 führt in einem Bogen um den See herum. Folgt man diesem Weg, gelangt man zur Felsformation Borgarvirki. Die Formation fußt auf einem Fundament aus Basaltsäulen, die von menschlicher Hand um weitere Steinblöcke erweitert wurde. Im Inneren des Walls finden sich heute noch Reste von zwei Häusern und einem Brunnen. Ist dies mal eine Festung gewesen? So ganz einig ist man sich darüber auch heute noch nicht. Fest steht, dass man in 177 Metern Höhe einen fantastischen Blick über die Umgebung hat: nach Nordosten über die Bucht bis hin zur Halbinsel Skagi, nach Südwesten über den See und die Halbinsel Vatsnes. Ein schöner Abschluss der Rundfahrt um die Halbinsel. Ein paar Kilometer weiter mündet die Straße über die 711 wieder auf die Ringstraße.