Einstieg ins Großformat

An alten doofen Sprüchen ist manchmal wirklich etwas dran und so hat mich “Größer ist immer besser” voll erwischt. Es fing ja schon mit dem Einstieg ins Mittelformat vor knapp zwei Jahren an. Die Negative und Diapositive in 6×6 sind einfach nur – ja was eigentlich? Groß, brilliant, toll anzuschauen und haptisch eine ganz feine Nummer. Auch die Komposition eines Fotos im Lichtschacht ist einfach nur genial, sieht die Welt durch den Lichtschacht ja irgendwie schon selbst wie ein schönes Foto aus. Auf z.B. Youtube gibt es für die an Fotografie Interessierten haufenweise tolles Material, das bei der eigenen Weiterentwicklung zumindest inspiriert. Persönlich bleibe ich da oft bei Videos hängen, in denen mit Großformatkameras fotografiert wird. Da wird “stunden”lang aufgebaut und mit Tuch über dem Kopf auf der Mattscheibe das Motiv eingestellt. Dieser, ich sag mal meditative Prozess spricht mich so an, dass ich dann vor einem halben Jahr anfing, den Markt für 4×5 Kameras zu beobachten.

Vor Kurzem konnte ich dann nicht mehr widerstehen und bestellte mir von privat eine schon etwas in die Jahre gekommene Linhof Kardan Color. Einmal dafür entschieden, wollte ich natürlcih nicht lange warten und das gröbste Drumherum musste auch parallel herangeschafft werden. Wechselsack, Filmhalter, Einstelllupe, Entwicklungstank, Objektive und Chemie. Der erste Film der Wahl war der recht günstige Fomapan 100 Classic im 50 Blatt Paket. Da stand nun alles bereit und es konnte losgehen. Das Film Einlegen ist garnicht mal so schwierig wie ich erst dachte und ging recht flott von der Hand. Die ersten Fotos machte ich schon zu Hause und fand schonmal Gefallen daran.

 

Zu meinem Glück hatte ein Freund auch irgendwie Bewegungsdrang und so machten wir in den Feiertagen eine kleine Wanderung mit der Linhof. Mangels passendem Tragesystem verstaute ich den Kram sorgfältig im Rucksack. So 8kg kamen wohl zusammen und auf 10 Kilometern merkte ich das schon ein wenig. Aber! An einem interessanten Ort angekommen geht der geniale Akt des Fotografierens los. Mehr noch als je zuvor mit Stativ, Filtern, Belichtungsmessung usw. hatte ich das Gefühl richtig zu fotografieren. Also mehr zu Grafieren als Foto.

Der Aufbauprozess ->

  • Rucksack runter
  • Stativ aufbauen
  • Zusammenschrauben der optischen Bank
  • Kamera drauf setzen
  • ausziehen der Frontstandarte und des Rückteils
  • Objektiv sorgfältig auswählen und mitsamt Platte einsetzen
  • Blende öffnen
  • Verschluss öffnen
  • unter dem Einstelltuch (meiner Jacke) auf der großen Mattscheibe das Motiv bewundern.

Das alleine macht ja schon Spaß. Natürlich musste ich wegen dem gewünschten Ausschnitt erstmal hin und her, vor und zurück probieren bis er dann passte. Mit seitenverkehrt und auf dem Kopf angezeigtem Bild auf der Mattscheibe ist das garnicht mal so einfach. Zum richtigen Fokussieren kam dann die Einstelllupe zum Einsatz. Wow! Die gab mir so ein richtig präzises Gefühl. Auf Shiften, Tilten und den ganzen coolen Kram verzichtete ich erstmal und verschätzte mich beim Belichtung Messen bzw. Ausrechnen mit dem Reziprozitätsfehler/Ausgleichen des Schwarzschild-Effekts des Fomapan 100. So wählte ich eine zu viel lange Belichtungszeit wie ich jetzt weiß. Egal. Also noch schnell Blende und Belichtungszeit (8s auf Bulb) eingestellt. Jetzt durfte ich keine Fehler machen.

  • Verschluss wieder zu
  • einmal zur Kontrolle auslösen
  • den Film einlegen.

Ohja. Ich hoffte alles richtig gemacht zu haben

  • spannte den Verschluss
  • und zog den Schieber aus dem Filmhalter. Spannung!
  • Nach einigen konzentrierten Atemzügen drückte ich dann ab.
  • Jetzt schnell den Schieber wieder in den Filmhalter und denselben schnell sicher verstaut.

Mein erstes 4×5 Outdoorfoto.

 

So hatte ich noch nie fotografiert. Es fühlte irgendwie wie eine Art Präzisionsjagdhandwerk zum Einfangen der eigenen Ideen an. Genial. Trotzdem sich das Ganze Brimborium sehr langwierig anfühlte, waren nur gut fünf Minuten vergangen. Erstaunlich, dauert es doch mit den anderen Kameras doch fast genauso lange. Auf der Wanderung machte ich den ganzen Spaß noch dreimal durch und kam mit ganzen VIER Fotos nach Hause. Vier! In 5 Stunden.

Da ich natürlich das Ergebnis nicht ein paar Tage abwarten wollte, entwickelte ich die auch gleich am Abend noch. Noch so ein spannender Akt. Weil ich damit so gar keine Erfahrung hatte/habe und daher auch keine Ahnung, sollte mir ein sogenannter Monobad-Entwickler von Ars Imago weiterhelfen. Aus zwei Chemikalien zusammengemischt (einfach zusammenkippen) stellt dieser das einzige Bad, daher Monobad, dar und ist so besonders einfach in der Anwendung. Als Entwicklungstank habe ich einen Stearman Press 4×5 geholt, ein kleines einfaches Ding. Trotz der Aufregung ging irgendwie alles glatt und ich hatte am Abend dann tatsächlich insgesamt acht Negative mit so richtigen Fotos drauf. Ja gut, zwei Waldfotos waren schon sehr dicht (dunkel) und damit stark überlichtet, aber es waren Fotos mit was drauf! Selbst mit der Linhof fotografiert und dann auch noch selbst entwickelt. Zudem hingen die dann auch so richtig cool mit Wäscheklammern zum Trocknen im Kellerbad – meinem jetzt offiziellem ähem…Labor. Die Auflösung ist einfach sagenhaft. Wenn alles stimmt. Ein 100% Ausschnitt von der Bunkerhalle soll das mal andeuten.