Ja, sie hat einen etwas stokeligen und irgendwie technisch klingenden Namen. Tatsächlich ist diese Kamera jedoch ein Schönheit im Stil der sechziger Jahre. Die gute alte Zeit, als die Zukunft und die Möbel noch rund waren. In meinen Augen jedenfalls ist sie ein echtes Schmuckstück und nicht nur das. Alles an ihr scheint aus dem Vollem gefräst und laut Recherchen im Netz gilt sie wohl auch als eine der stabilsten und robustesten Vertreter der 4×5 Kameras auf optischer Bank. Mittlerweile ist sie rund 50 Jahre alt und außer ein paar Macken in der Emaille/Lack steht sie so solide da, als könnte ihr Nichts etwas anhaben.
Ernsthaft, sofern man alle Rädchen fixiert hat, wackelt weder Frontstandarte oder Rückteil im Geringsten, noch gibt es irgendwelches Spiel in der Verbindung optische Bank-Stativkopf. Passt, wackelt nicht und hat keine Luft. Überhaupt fühlt sich das gesamte Konstrukt wirklich sehr wertig an. Nach 50 Jahren sind die Kunststoffrädchen nicht gebrochen und alle Triebe laufen ohne Ruckeln und Zuckeln. Auch die Hebelchen und Schrauben für Verstellungen sind vollkommen intakt und fühlen sich gut und immer noch stabil an.
Das Rückteil lässt sich gut drehen und sogar die Federn, die die Mattscheibe halten sind noch gut unter Spannung. So rein von der Konstruktion und Stabilität weckte die Kardan Color schon vom ersten Augenblick an Vertrauen in mir, dieses gute Gefühl als würden ihr auch die nächsten 50 Jahre ihr nichts anhaben können.
Was kann sie nun?
Naja, sie ist die weiterentwickelte Synthese von optischer Bank und Laufbodenkamera. Ihre Vorgängerin war die Linhof Color, ohne “Kardan”, und diese beiden werden wohl öfter miteinander verwechselt. Die Color hatte ein feststehendes Rückteil und die Frontstandarte der Linhof Technika IV wobei die darauf folgende Kardan Color ein höhenverstellbares Rückteil und dazu die Frontstandarte der Linhof Technika V hat. Mit dem (zusätzlich höhenverstellbaren) Rückteil und der Frontstandarte der Technika V hat die Kardan Color 9×12 auch die eingeschränkten Verstellwege/winkel geerbt. Wie sich das in der Verwendung bei mir bemerkbar macht, werde ich erst später sagen können.
Der Balgen ist einsetzbar für Brennweiten von 65mm bis locker 300mm. Mit dem ausgezogenen Rückteil (vier Haltestifte lösen) konnte ich auch 420mm auf 3m Abstand scharf stellen. Also keine Scherereien mit Balgenwechsel usw.
Dafür ist auf der recht kleinen Linhof Objektivplatine recht wenig Platz und es kann schon sein, dass bei voluminösen Objektiven die Verstellbarkeit noch weiter eingeschränkt wird, weil sie an die Standarte stoßen.
In der Bezeichnung steckt die 9×12 als Angabe für das bevorzugte Filmformat, wegen dem internationale Drehrückteil können jedoch auch bedenkenlos 4×5 Filmhalter verwendet werden. Wobei die Außenmaße der 9×12 und der 4×5 Halter sowieso gleich sind. Die belichtete Fläche/Ausschnitt reicht, um auch 4×5 Filme komplett zu belichten. Irgendwie ist sie also eine 4×5/9×12 Kamera.
Das Grundrohr bzw. die optische Bank besteht aus zwei Rohren, einem kurzen und einem langen. Auf das Kurze geschoben, bekommt man die Kamera im Packmaß auf ca. 15cm Dicke und sie passt wunderbar in Taschen. Alles zusammen wiegt gut 3kg und ist noch gut tragbar. Naja, es kommen ja noch einige Dinge dazu wie z.B. Stativ, Filmhalter, Objektive usw. Ich muss mich wohl an größeres Gepäck gewöhnen.